Mittwoch, 19. Juni 2013

Im Interview: General Grundmann

Die STM in Münster ist nun schon über eine Woche vorbei - Zeit genug, alles Revue passieren zu lassen und die wichtigsten Eindrücke festzuhalten: Das FAQ hat gut funktioniert und alle hatten wohl ein wirklich spaßiges und spannendes Turnier. Nicht ganz unschuldig daran ist Felix alias "General Grundmann". Mit ihm sprach (oder besser "schrieb") ich ein wenig über das Hobby und die Regeln an sich. Das ganze Interview könnt ihr hier lesen:
 


Herr General...





Sicarius: Felix, einige Leser kennen dich vielleicht noch nicht. Würdest du dich kurz vorstellen?

General Grundmann: Hier ein paar kurze Eckdaten. Steinbock des Jahres 1979, Einstieg in die Welt des analogen Spiels als Kind durch die „Spiel des Jahres“ Brettspiele innerhalb der Familie, später dann ab 12 Jahren DSA und Battletech. Außerdem die üblichen Verdächtigen: MERS, Shadowrun, RoleMaster, Paranoia, Vampire und so weiter, und so weiter… Zusätzlich Street Fighter 2 Fanatiker auf dem SNES. Als erster PC ein Schneider CPC 464 mit Datasette und grünem Monitor. Ich war Handballer und bin dem Sport grundsätzlich zugeneigt, aktuell mit Laufsport, Streetball und leichtem Krafttraining am Start. Ich bin generell multimedial interessiert - mit einem komplett eingerichteten „Nerdvana“ in den eigenen vier Wänden und einer ausgewählten Sammlung von Gegenwartskunst, beginnend bei Brettspielen, über Comics bis hin zu viel zu vielen Miniaturen verschiedenster Systeme. Dafür ließ ich meine Küche rausreißen um zusätzlichen Stauraum zu erhalten, aber man muss Prioritäten setzen!

In Warhammer 40K bin ich seit Rogue Trader aktiv, aber so richtig erst wieder ab 2002. Ich bin in erster Linie Spieler, dann Sammler, dann Hobbyist im Sinne von bauen und malen. Mich prägt meine Battletech-Zeit der 90er, weil ich damals die Ehre und das Vergnügen hatte, mit Gleichgesinnten einem gemeinsamen Hobby nachzugehen, was freundlich aber gewissenhaft betrieben wurde. Dieses Spielgefühl, mit Figuren und Würfeln auf einem Spieltisch gegen einen motivierten menschlichen Mitspieler anzutreten, ist für mich die Hauptmotivation, diesem Hobby zu frönen.

Du stehst seit Jahren als eine Art Regel-Guru unter anderem hinter dem FAQ der Stadtmeisterschaft in Münster oder dem German Rules Council FAQ. Wie kommt man dazu, vom Spieltisch in die doch eher trockenere Ecke der Regelauslegung zu gehen?

Eigentlich komme ich angestammt aus dieser Ecke und traue mich von da aus lediglich hin und wieder an den Spieltisch!
Spaß beiseite, eigentlich geht´s nur darum, gleiche und bekannte Voraussetzungen im Vorfeld eines Spiels bzw. eines Turniers zu schaffen, um einen flüssigen Spielablauf zu gewährleisten. Der eben nicht von Regeldiskussionen gestört wird. Da wiederhole ich auch immer gerne mein Mantra: „Es ist mir völlig egal, WIE etwas gespielt wird! Es muss nur im Vorfeld verständlich und für alle verbindlich geklärt sein!“

In sich schlüssige Regeln sind natürlich das Rückgrat jedes Spiels. Unter diesem Gesichtspunkt: Wie bewertest du die Entwicklung, die Warhammer 40.000 in den letzten Jahren und Editionen durchgemacht hat?

Allen Defiziten zum Trotz, hat sich 40K regeltechnisch immer weiter entwickelt, meiner Meinung nach auch von Edition zu Edition verbessert. Viele finden den Nahkampf zu stark benachteiligt in dieser Edition, aber ich bin der Meinung, dass diese Edition mit ihrem eindeutigen Schwerpunkt auf dem Beschuss endlich ein modernes Sci-Fi Schlachtfeld am ehesten abbildet. In den alten Editionen war der Nahkampf zu einfach und zu stark, aber wie gesagt, immer nur meiner Meinung nach. Von einem regeltechnischen Standpunkt aus lernt GW von Edition zu Edition besser zu werden. Man könnte auch fast glauben, dass sie in der aktuellen Edition erstmalig eine richtige Qualitätskontrolle hatten. Das Regelbuch liest sich in weiten Teilen schön technisch, fast modular. Es wurden mehr eindeutige Mechanismen verwendet, mit denen man eigentlich sehr gut zu Regelentscheidungen kommen kann. Leider tut sich GW in jeder Edition mit den neu eingeführten Sachen schwer, so sind zum Beispiel Chariots oder bestimmte Aktionen außerhalb der eigentlich zugedachten Phase, zum Beispiel Interceptor, einfach nicht gut bzw. klar genug formuliert.

Was gefällt dir besonders an der aktuellen Edition? (Hast du vielleicht ein Lieblings-Spielelement?)

Rumpfpunkte! Das wurde sowas von Zeit. Der Schwerpunkt auf Beschuss. Und die Wertschätzung der Characters durch Precision Shots und Precision Strikes, sowie die Möglichkeit zu Herausforderungen. Alliierte - so viele Möglichkeiten! Finde ich alles gut. Am wichtigsten aber: S/U/N. Ich finde die 20er Matrix, gerade aus Turniersicht, zwingt immer zu bestimmten Armeen. Nur S/U/N lässt sämtliche listentechnischen und spielerischen Möglichkeiten überhaupt erst zu! Außerdem begrüße ich, dass die ganzen „billigen Tricks“ abgeschafft wurden, sowas wie aus der Reserve erscheinend direkt angreifen zu dürfen. 40K ist ein ganzes Stück planbarer geworden auf taktischer Ebene (auf dem Spielfeld), dank S/U/N aber auch ein ganzes Stück wahnsinniger auf strategischer Ebene (grundsätzliche Spielanlage sowie Turnier-Meta). Und gerade diese Mischung aus neugewonnener Planbarkeit auf der einen Seite und jeglichem erfolgreich spielbaren Wahnsinn auf der anderen Seite macht diese Edition für mich zu meiner aktuellen Lieblingsedition von Warhammer 40K.

Du hast das FAQ der diesjährigen Stadtmeisterschaften ausgearbeitet. Wie viel Arbeit steckt in sowas? Wie seid ihr vorgegangen?

Dieses Jahr war es mit knapp 120 Zeitstunden deutlich entspannter als die Jahre davor, wo das auch gerne mal um die 200 Zeitstunden waren. Das FAQ entsteht durch meine eigenen Spielerfahrungen, aktuelle GW-Fanworld Diskussionen sowie sämtliche Anfragen, die mindestens dreimal an mich herangetragen wurden. Grundsätzlich halte ich es da mit Jaq Draco, der mal meinte, je größer die „Foren-Disco“ vor dem Turnier ist, umso entspannter ist das Turnier an sich. Darum begrüße ich wirklich jede Frage im Turniervorfeld. Jede im Vorfeld geklärte Frage ist eine Frage auf dem Turnier weniger.

Obwohl ich während des gesamten Turniers keinen einzigen Schiedsrichter gesehen habe, sind die meisten Spiele relativ reibungslos abgelaufen. Verstehst du das als Lob für deine Arbeit?

Eigentlich eher als Lob an die „Szene“ selbst und eine positive Entwicklung im Umgang mit Regeldiskussionen. Liegt aber auch daran, dass die meisten der Turnierspieler sich inzwischen kennen und dadurch ein humanerer Umgang miteinander Einzug gehalten hat. Mein Beitrag dazu ist ja eigentlich nur, dass ich versuche die häufigen Fragen zu sammeln und irgendwie nachvollziehbar im Vorfeld zu entscheiden.

Einige Regelungen waren natürlich bei den Spielern besonders umstritten. Gab es Regelauslegungen, die dir im Vorfeld Probleme gemacht haben? Gibt es vielleicht Lücken, die besonders oft zu Irritationen unter den Spielern führen?

Deckung ignorieren und das Bolter-Banner waren die wichtigsten Punkte. Deckung ignorieren hat auf der GW-Fanworld seinen eigenen x-seitigen Thread, dazu sage ich gerne noch im persönlichen Gespräch von Angesicht zu Angesicht was, aber nicht mehr in Schriftform. Da ist alles gesagt und die Fronten sind verhärtet. Das Bolter-Banner hatte ich schlicht und ergreifend aus Organisatorsicht erst einmal restriktiv geregelt, weil es einfacher ist, etwas kurzfristig zuzulassen als kurzfristig zu verbieten. Nach wie vor ein Problem ist Modelle außer Sicht zu treffen, zu verwunden und als Verluste auch zu entfernen. Dazu kommen grundsätzlich die „Strahl“ bzw. „Beam“-Attacken, die sind einfach nicht eindeutig geklärt. Und der genaue Ablauf der Bewegungsphase inklusive Reserven und Psikräften, das kriegt GW einfach nicht hin. *seufz*
Negativ: Erstaunlicher Weise gab es viele Rückfragen bei allgemeinen Grundregeln, der Ägis und erschreckender Weise auch beim jeweils eigenen Codex, wo teilweise offenbar nicht einmal das eigene offizielle GW-FAQ bekannt war.

Hast du ein besonderes System, nach dem du vorgehst, also beispielsweise zuerst Wortlaut, dann Regelsystematik, dann Regelungszweck?

Ja, grundsätzlich erst mal RAW und dann bin ich flexibel, entweder Analogien, wenn es welche gibt, oder Best Practice. Meine Grundsatzartikel dazu gibt´s hier:

Wenn man das Spiel spielt, vergisst man häufig das dahinter stehende Spieldesign. Anders herum ist es aber sicher auch möglich, den Kontakt zum Spiel zu verlieren. Findest du, Warhammer entfernt sich im Turnierbetrieb teilweise zu weit von seinen Wurzeln?

Lässt sich meiner Meinung nach nicht verallgemeinern, weil das jeder Spieler unterschiedlich wahrnimmt. Warhammer 40K ist an sich kein Turnierspiel, zumindest nicht den Ansprüchen nach, die ich an ein Turnierspiel stelle. Trotzdem machen wir Turniere, um andere Spieler zu treffen, andere Armeen in Aktion zu sehen und einen „Gewinner“ zu ermitteln. Wenn jemand wegen übertriebenem spielerischen Ehrgeiz seine eigene Spielfreude und/oder die des Mitspielers zu Nichte macht, dann entfernt sich jedes Spiel von seinen Wurzeln. Mir soll ein Spiel Freude machen und eine besondere Erfahrung darstellen. Klappt meistens, nicht immer.

Um das German Rules Council ist es still geworden. Wie wichtig ist eine deutschlandweit zumindest annähernd ähnliche Regelauslegung für den „täglichen“ Turnierbetrieb?

Meiner Meinung nach würde das immer noch vieles vereinfachen, ist aber de facto nicht zwingend nötig, solange die gängigsten Fragen im Vorfeld entschieden sind. Insofern hat das GRC die Turnierorgas dafür sensibilisiert, dass es häufige Fragen gibt. Und dass diese nur im Vorfeld geklärt sein müssen, dann auch gerne mit regionalen Unterschieden.

Und zum Schluss noch eine eher persönliche Frage: Gegen wen war dein letztes Spiel, was hast du gespielt und wie ging es aus?

Gegen Navarre und seine Tau vom A-Team. Nachdem ein verzweifelter Angriff von mir völlig verpuffte, konzentrierte ich mich darauf, wenigstens Eldrad und den Himmlischen auszuschalten. Navarres Sieg war damit eigentlich ab Runde 2 ungefährdet, aber auch wenn da nichts mehr zu holen war für mich, spiele ich einfach gerne. Und dann muss man sich halt kleinere Ziele setzen. Emotionale Selbstregulation nennt sich das. Auch wenn meinem anbetungswürdigen TEAM-Fluff durch meine schlechte Armeewahl eine bessere Turnierendplatzierung verwehrt blieb und ich mein letztes Spiel deutlich verlor, so konnte ich doch mit einem Lächeln das Turnier verlassen, nachdem zuerst der Himmlische und kurz darauf Eldrad erfreulich letale Bekanntschaft mit einem Stärke 8 Geschoss machen durften. *lacht*

 An dieser Stelle bedanke ich mich noch einmal für das Interview.

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